Mag. Vincent Schatz

Matura in Österreich

New Grade Composition – New Grades? How the Austrian Grading Reform of 2020 Impacted Teacher Grading for University Entrance Certification

Betreuung: Univ. Prof.in Dr.in Nele Kampa
Zeitraum: 2022-2026
Kontakt: vincent.schatz@univie.ac.at

Das Zeugnis der standardisierten Reife- und Diplomprüfung (sRDP), auch als Zentralmatura bezeichnet, ist eines der bedeutendsten Dokumente österreichischer Schüler*innen. Zum einen handelt es sich um die letzten abzulegenden Prüfungen am Ende der Schullaufbahn, zum anderen gewährt die sRDP den Zugang zur weiteren universitären Ausbildung. Aufgrund seines standardbasierten, kompetenzorientierten Charakters seit Einführung der Zentralmatura 2015 soll es in transparenter, objektiver Weise die erbrachten Leistungen in den absolvierten Prüfungsfächern sichtbar machen. Ziel war und ist, die Noten der Zentralmatura nicht nur interschulisch vergleichen zu können, sondern sie auch in ihrer Funktion als Nachweise rein standardbasierter, kognitiver Leistungsaspekte zu stärken. Mit der Einführung der Zentralmatura geht folglich ein Gedanke der Vergleichbarkeit und somit der Fairness einher.

Mit der Covid-19-Pandemie hat sich das Benotungssystem der Zentralmatura jedoch stark gewandelt. Während vor dem Haupttermin 2020 ausschließlich die Prüfungsergebnisse der sRPD die Zentralmaturanoten bildeten, fließen seither die erzielten Jahresnoten der Abschlussklassen zu 50% in die standardbasierten Noten der sRDP mit ein. Dabei zeigt die Forschungsliteratur zur Benotungskultur von Lehrer*innen mit einer enormen Fülle an Studien, dass Lehrer*innen bei der Bildung von Jahresnoten neben kognitiven Leistungsaspekten zusätzlich eine Vielfalt an nicht-kognitiven Faktoren miteinfließen lassen. Allen voran sind das der von Schüler*innen gezeigte Arbeitseinsatz, die Einstellung zur Schule und zum jeweiligen Fach allgemein sowie die Anwesenheit und das Verhalten im Unterricht (Bowers, 2011; Brookhart et al., 2016, Cross & Frary, 1999; McMillan, 2003; Pilcher, 1994; Sun & Cheng, 2014). Jahresnoten sind also multidimensionale Konstrukte, die weit mehr abbilden als die kognitiv-akademische Leistung von Schüler*innen in einem bestimmten Prüfungsfach. Abgesehen davon verdeutlicht die Literaturlage die vorrangige Bezugsnormorientierung in der Benotung von Jahresleistungen (Hübner et al., 2020; Marsh & O'Mara, 2010). Ein Einfließen der Jahresnoten in die Zentralmaturanoten seit 2020 löst folglich mit großer Wahrscheinlichkeit eine Änderung in der inhaltlichen Aussagekraft der Zentralmaturanoten aus, sofern Lehrer*innen ihre Benotungskultur hinsichtlich der Bildung von Jahresnoten nicht an das Wesen des rein standardbasierten Leistungsnachweises der Zentralmatura angepasst haben. Erkenntnisse darüber zu erlangen, ob und, falls ja, wie Lehrer*innen mittels ihrer Benotungskultur die neue, weit bedeutungsträchtigere Aufgabe von Jahresnoten berücksichtigen, ist eines der Ziele dieses Promotionsvorhabens.

Neben den Auswirkungen von nicht-kognitiven Faktoren auf Schüler*innenseite zeigt die internationale Forschungsliteratur, dass individuelle Überzeugungen von Lehrer*innen, sog. teacher beliefs, einen Zusammenhang mit verschiedenen Aspekten ihres pädagogischen Handelns haben können (Bonner & Chen, 2021; Brookhart et al., 2016; Pilcher, 1994)  – dazu gehören auch individuelle Überzeugungen von Lehrer*innen hinsichtlich der Bewertungskultur von Schüler*innenleistungen, die schließlich den Grad von vergebenen Noten mitbestimmen können. Eine Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem Benotungsverhalten von Lehrer*innen und diesen individuellen teacher beliefs ist ein zweites Ziel, dem im Rahmen dieses Vorhabens nachgegangen wird.

 

 

Zusammengefasst wird das Promotionsvorhaben also von folgenden Forschungsfragen geleitet:

  • Zeigen sich Veränderungen in den vergebenen Jahres- und Maturanoten einzelner Lehrer*innen seit der neuen Zusammensetzung der Maturanoten?
  • Welche Bedeutung haben stattgefundene oder nicht-stattgefundene Veränderungen in der Benotungskultur auf die inhaltliche Aussage von Maturanoten seit 2020?
  • Welche Auswirkungen haben individuelle teacher beliefs zur Bewertung von Schüler*innenleistungen auf die Benotungspraxis von Lehrer*innen bezüglich der Vergabe von Jahres- und Maturanoten?