Durch zahlreiche gesellschaftliche Auseinandersetzungen – als prominentestes Beispiel ist hier wohl neben vielen anderen #blacklivesmatter zu nennen – sind dekoloniale Perspektiven inzwischen nicht mehr unsichtbar zu machen. Dabei bestimmte diese verordnete Amnesie – Ann Laura Stoler spricht hier eher von einer Aphasie – den Umgang mit dem kolonialen Erbe. Für den Bereich der Erinnerungskultur wurde dies durch zahlreiche Initiativen und wissenschaftlich beispielsweise durch den Ansatz des multidirektionalen Erinnerns herausgefordert. Dekolonialität zielt dabei auf mehr, als der Vergangenheit gerecht zu werden. Dekoloniale Perspektiven gehen vielmehr davon aus, dass Kolonialität – verstanden als Denkweisen, die koloniale Hierarchien tradieren und reproduzieren – die gegenwärtigen Strukturen und Kämpfe, die Institutionen und Subjektivierungsweisen, die Praxis und Episteme prägt.
Unter Dekolonialität verstehen wir dabei die Vielfalt an sozialen Bewegungen und Initiativen, aber auch die ganz alltäglichen Handlungen, in denen koloniale Muster untergraben, ausgehebelt, infrage gestellt oder herausgefordert werden. In akademischen Diskursen wird Dekolonisierung oft als ein radikaler epistemischer Wandel gefasst. Dekolonialität kann erinnerungspolitisch im Kampf um einen anderen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit bestehen – von der Anerkennung kolonialen Unrechts, der Kontinuität bis heute bis zu Reparationsforderungen. Es kann aber auch bedeuten, gegenwärtige Zugehörigkeitsregime, Migrationsbekämpfungsstrategien, nationale Identitätsnarrative, globale Ungleichheitssysteme, die internationale Arbeitsteilung, den Klimawandel, die Institution des Lernens selbst und vieles andere infrage zu stellen und in den Kontext kolonialer und neokolonialer Kontinuität einzuordnen. Dabei drängt sich die Frage auf, inwiefern die Fachdisziplin und die Institutionen der Politischen Bildung selbst durch die Kolonialität geprägt sind.
Ort: Sky Lounge der Universität Wien, Oskar-Morgenstern Platz 1, 1010 Wien
Veranstalter*innen: Didaktik der Politischen Bildung (Zentrum für Lehrer*innenbildung, Universität Wien), Demokratiezentrum Wien, Institut für Didaktik der Demokratie (Leibniz Universität Hannover)