Im Jahr 2020 widmet sich die 2. Vienna Conference on Citizenship Education dem Schwerpunktthema Intersektionalität und den damit verbundenen Impulsen, Anregungen und Schlussfolgerungen für die Politische Bildung. Die Beurteilung von Personen aufgrund von ihnen zugeschriebenen Eigenschaften oder Zugehörigkeiten ist im gesellschaftlichen Alltag weit verbreitet und erfolgt häufig in Form von zusammenhängenden multiplen Abwertungsmechanismen. Welche sozialen Gruppen wie diskriminiert werden, ist nicht statisch, sondern verändert sich im Zusammenhang von gesellschaftlichen und politischen Kontexten (dazu u.a. Allport, 1954/Heitmeyer, 2002-2011/Zick et.al., 2019). Insbesondere durch multiple Krisen im Rahmen der Corona-Pandemie wird die Diskussion um Intersektionalität und die Auseinandersetzung mit Distanz in der Demokratie auch aktuell notwendig. Kimberle Crenshaw (1989) verdeutlicht, dass Wissenschafter*innen bei der Beforschung von Exklusionspraxen Gefahr laufen, bestimmte Personengruppen nicht wahrzunehmen, falls die Interdependenzen verschiedener Diskriminierungsformen nicht berücksichtigt werden (Lengermann & Niebrugge-Brantley, 2000, S. 331).
Der Begriff der Intersektionalität erlaubt es dabei, eine subjektbezogene und lebensnahe Perspektive zu berücksichtigen. Wir möchten vor diesem Hintergrund herausarbeiten, wie in einer subjektbezogenen Politischen Bildungsarbeit existierende Interdependenzen und Überschneidungen verschiedener Diskriminierungsformen in der Gesellschaft erfasst werden können und wie Politische Bildung didaktisch darauf reagieren kann.
Die Tagung möchte aus unterschiedlichen fachspezifischen Perspektiven vielfältige Themenbereiche im Kontext des diesjährigen Tagungsthemas beleuchten. In diesem Rahmen sollen die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Politische Bildung im Zusammenhang mit Intersektionalität sowie damit verbundene Herausforderungen kritisch reflektiert werden. Die Tagung soll dazu dienen, die didaktischen Potenziale unterschiedlicher Forschungshintergründe vorzustellen und damit verbunden theoretische Überlegungen und empirische Erkenntnisse zum Tagungsthema zu präsentieren.
In diesem Rahmen stellen sich insbesondere folgende Fragestellungen an Wissenschaft und Forschung sowie an unterschiedliche Orte der Politischen Bildung:
- Welche Lerner*innengruppen und welche sozialen Gruppen sind besonders von sich überschneidenden Diskriminierungsformen betroffen und welche Strukturkategorien benötigen eine besondere Auseinandersetzung in der Politischen Bildung?
- Welche Lerner*innengruppen spielen für die kritische Auseinandersetzung mit Intersektionalität und für die Vermittlung dieser Thematik in der Politischen Bildung und welche themenspezifischen Erkenntnisse liegen für diese Zielgruppe vor?
- Mit welche Diskriminierungsformen sollte sich die Politische Bildung im Kontext Intersektionalität befassen und welche Impulse und Anregungen für Lehr- und Lernprozesse formuliert sie dabei?
- Wie kann Intersektionalität im Kontext der Corona-Pandemie diskutiert werden und welche Rolle spielt Politische Bildung in Krisenzeiten? Wie wirkt sich Distanz in der Demokratie auf Intersektionalität aus?
- Inwiefern sind aus einer machtkritischen Perspektive gesellschaftliche, politische und kulturelle Strukturen, Normen und Entwicklungen im Zusammenhang mit Intersektionalität in der Politischen Bildung kritisch zu analysieren? Welcher Beitrag kann deshalb aus politikdidaktischer Perspektive zugunsten Inklusion, Teilhabe und Wertschätzung von Heterogenität in der demokratischen Alltags- und Lebenswelt geleistet werden?
Im Tagungszusammenhang sollen diese Fragen anhand vielfältiger fachlicher Perspektiven u.a. der Geistes- und Sozialwissenschaften, der Bildungswissenschaft sowie der Didaktik der Politischen Bildung diskutiert werden.
Für die Mitwirkung an der Tagung werden Beiträge erwartet, die sich mit themenrelevanten Zugängen im Kontext schulischer, außerschulischer und freizeitpädagogischer Politischer Bildungsarbeit, sowie der Hochschul- und Erwachsenenbildung im Verständnis des Lebenslangen Lernens befassen. In diesem Zusammenhang soll die Arbeit mit möglichst vielfältigen Zielgruppen hinsichtlich Intersektionalität und Politischer Bildung abgebildet werden.
Erwünscht sind Forschungsvorhaben und Forschungsprojekte zum theoretischen Diskurs sowie zu empirischen Erhebungen.
Wir freuen uns zudem sehr über anwendungsbezogene Projekte aus der konkreten Bildungspraxis.
Im Sinne der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung sind Einreichungen im Rahmen von thematisch relevanten Promotionsvorhaben ebenso willkommen!
Es bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, sich an der Tagung zu beteiligen:
1. In Form von Vorträgen und Workshops
- ein 30-minütiger Vortrag (mit einer daran anschließenden 20-minütigen Diskussion) zu einem thematisch relevanten Forschungsprojekt
- ein 30-minütiger Vortrag (mit einer daran anschließenden 20-minütigen Diskussion) zu einem thematisch relevanten Promotionsvorhaben
- ein 30-minütiger Vortrag (mit einer daran anschließenden 20-minütigen Diskussion) zu einem thematisch relevanten Projekt aus der konkreten Praxis innerhalb der Politischen Bildungsarbeit
2. In Form von Posterpräsentationen
- eine Posterpräsentation zu einem thematisch relevanten Forschungsprojekt, Promotionsvorhaben oder Projekt aus der Praxis
Es können sowohl deutsch- also auch englischsprachige Beiträge eingereicht werden.
Die Tagung wird unter Berücksichtigung der Situation mit Corona gegebenenfalls online stattfinden!
Zum Einreichen eines Vortrags mailen Sie bitte einen Abstract (ca. 2.500 Zeichen inkl. Leerzeichen; zum Einreichen eines Posters ca. 2.000 Zeichen) bis zum 10.07.2020 an viennaconference@demokratiezentrum.org.
Veranstalter*innen:
Demokratiezentrum Wien
Didaktik der Politischen Bildung, Prof. Dr. Dirk Lange, Zentrum für Lehrer*innenbildung, Universität Wien
Quellen:
Allport, G. W. (1954).: The nature of prejudice. Cambridge, MA: Perseus Books.
Crenshaw, K. (1989). Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics. University of Chicago Legal Forum (S. 139-167). 1989 (1). Abrufbar unter: chicagounbound.uchicago.edu/cgi/viewcontent.cgi
Heitmeyer, W. (Hrsg.): Deutsche Zustände, Folge 1-10, 2002-2011, erschienen im Suhrkamp Verlag.
Lengermann, P. M., & Niebrugge-Brantley, J. (2000). Modern feminist theory. In G. Ritzer (Ed.), Modern sociological theory (S. 302-349). McGraw-Hill Publishing
Zick, A./ Küpper, B., Berghan, W. (2019): Verlorene Mitte - Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19. Bonn: Dietz, J H.