Georg Nöhrer
Verschwörungserzählungen im Netz als Thema im Deutschunterricht. Literatur- und mediendidaktische Zugänge
Verschwörungserzählungen im Netz sind eine komplexe Herausforderung für Schulen und Lehrer*innen (Vajen & Wolf, 2021, p. 40). Ihre Reichweite und ihr Einfluss haben, im Zuge neuer digitaler Verbreitungsmöglichkeiten, stark zugenommen (Haas, 2020, p. 411; Lamberty & Imhoff, 2021, p. 202). Wird die Deutschdidaktik als „eingreifende Kulturwissenschaft“ (Kepser, 2013)verstanden, dann fällt die schulische Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählungen im Netz in ihren Zuständigkeitsbereich. Dabei kann der Deutschunterricht hier seine didaktische Reichweite voll ausschöpfen und eine Auseinandersetzung auf zwei unterschiedlichen Ebenen ermöglichen: auf Ebene der Mediendidaktik einerseits und auf Ebene der Literaturdidaktik andererseits.
Die mediendidaktische Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählungen im Deutschunterricht ist noch wenig erprobt bzw. untersucht. Erste Forschungsergebnisse zeigen aber die Notwendigkeit als auch die Komplexität dieses Unterfangens (Leichtfried & Urban, 2021). Dass hier sowohl in den Schulen als auch in der deutschdidaktischen Grundlagenforschung Nachholbedarf besteht, wird in der Fachliteratur klar aufgezeigt (Antos & Ballod, 2019; Frederking, 2022; Frederking & Krommer, 2019; Krommer, 2020; Maik, 2021).
Neben einer mediendidaktischen Auseinandersetzung eignen sich Verschwörungserzählungen außerdem für eine Auseinandersetzung auf literaturdidaktischer Ebene (Leichtfried & Urban, 2021, p. 80). Die Narrativität von Verschwörungen ist entscheidend für das „Verständnis und den Nachvollzug der verschwörungstheoretischen Argumentationen“ (Niehr, 2021, p. 318). Eine literaturdidaktische Auseinandersetzung mit diesen Narrativen, etwa durch die Benennung und Offenlegung der Handlungsstrukturen, kann zeigen, wie und warum sie auf Rezipient*innen attraktiv und verführerisch wirken (Weixler, 2021, p. 127). Mit welchen literatur- bzw. erzähltheoretischen Zugängen und Methoden eine Auseinandersetzung mit Verschwörungserzählungen im Deutschunterricht am sinnvollsten stattfinden kann, ist in der Fachliteratur bislang noch nicht geklärt und soll im Laufe der Arbeit konkretisiert werden.
Ausgangspunkt dieser Arbeit ist eine Untersuchung aktuell populärer Verschwörungen im Netz – so bspw. Erzählungen zu The Great Reset, QAnon, der Flat Earth Society, Pizzagate, Chemtrails und der 5G-Verschwörung. Für diese Untersuchung werden im ersten Schritt Analysekategorien aufgestellt, die sich an der gesamten deutschdidaktischen Forschungslandschaft sowie an relevanten kultur- und medienwissenschaftlichen bzw. literatur- und erzähltheoretischen Texten orientieren. Einem Design-Based Research-Ansatz folgend werden im Anschluss an die Untersuchung fachdidaktische Implikationen diskutiert und Methoden für den Deutschunterricht entwickelt. Diese Methoden sollen danach erprobt, evaluiert und weiterentwickelt werden.
Stand 08.2022